Glockenschlag
14. September 2023
Das Kreuz als Erkennungszeichen der Christen
Am 14.September wird in der Katholischen und in der Orthodoxen Liturgie das Fest „Kreuzererhöhung“ gefeiert. Der Hintergrund dieses Festes ist eine Legende, nach der Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin im Jahr 326 das Kreuz Christi in Jerusalem gefunden haben soll. Nach der Einweihung der Grabeskirche neun Jahre später wurde das Kreuz in dieser Kirche am 14. September des Jahres 335 den Gläubigen zum ersten Mal zur Verehrung gezeigt. Das Fest „Kreuzererhöhung“ lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das Kreuz als Erkennungszeichen der Christen.
Das Kreuz ist das bekannteste und auch das wichtigste Symbol im Christentum. Es erinnert an die Kreuzigung und Auferstehung von Jesus Christus. Somit symbolisiert es die zentrale Botschaft des christlichen Glaubens: den Sieg der Liebe über den Hass und die Gewalt, den Sieg des Guten über das Böse, den Sieg des Lebens über den Tod. Als Christen glauben wir, dass der Weg des Menschen mit dem Tod nicht zu Ende ist, sondern durch das Tor des Todes hindurch in das unzerstörbare Leben führt.
Wenn wir auf Jesu Kreuz schauen, dann werden wir auch an das Kreuz und Leid vieler Menschen in dieser Welt erinnert. Ich sehe auf einmal Menschen, denen das schwere Erdbeben in Marokko ihr Zuhause genommen hat. Ich sehe die Opfer des Krieges und der Gewalt in der Ukraine und an vielen anderen Regionen in der Welt, ich sehe unzählige Menschen auf der Flucht. Aber nicht nur in der großen Welt gibt es viel Leid und Not. Jeder von uns hat sein eigenes Kreuz zu tragen und könnte die Geschichte seines eigenen Kreuzwegs erzählen.
Bei all dem, was Menschen erleben, fragen sie sich: Warum gibt es viel Kreuze auf dieser Welt, soviel unerklärbares Leid? „Wo war Gott? Warum lässt er mich leiden?“
Gläubige Christen richten im Leiden ihren Blick auf Jesus, auf sein Kreuz, und schöpfen daraus Kraft für ihren eigenen Lebensweg. Gott hat nicht versprochen, dass er uns vor jedem Unglück und jeder Not bewahren wird, aber wir dürfen hoffen, dass uns mit seiner Hilfe die Kraft zuteilwird, die Last des Lebens zu tragen und die Leiden zu bewältigen. Gott wird uns niemals aus seiner Fürsorge entlassen, er wird uns niemals die Treue aufkünden.
Und was können wir angesichts des unermesslichen Leidens in der Welt tun? Darauf möchte ich mit den Worten des katholischen Denkers Robert Spaemann antworten: „Praktische Hilfe ist geboten. Wenn die Menschen in Zeltstädten frieren, brauchen sie warme Decken. Es gibt immer zwei Dinge, die man tun kann: Helfen und beten.“
Pfarrer Karl Zirmer, Pastoralraum AKK-Mainspitze
27. Juli 2023
Wir brauchen die Unterbrechung - Ferien- und Urlaubsgedanken
Wir Menschen brauchen die Unterbrechung. Wir brauchen Zeiten zum Atemholen, wir brauchen für uns eine Zeit der Ruhe, der Stille und der Besinnung, in denen wir die Seele baumeln lassen.
Die Ferienzeit, die Urlaubszeit ist eine angenehme Unterbrechung unserer hektischen Betriebsamkeit. Urlaub kommt von „erlauben“. Ich erlaube mir, einmal nichts zu tun, einmal ganz anders zu sein als in meinem Alltag. Ich gönne mir etwas. Ich nehme mir Zeit, einfach mal den Tag ohne große Planung zu verbringen. Ich bin offen für das, was mich dann erwartet, was da in mir hochkommt. Ich erlaube mir, meine Rollen loszulassen, die ich sonst spiele, und einfach nur ich selber zu sein. Ich brauche keine Erwartungen zu erfüllen, auch nicht meine eigenen.
Es geht nicht darum, in dieser Zeit nichts zu tun, die Zeit einfach tot zu schlagen. Aber man ist frei von den Zwängen des Alltags, von der Diktatur des Terminkalenders. Und man sollte diese Zeit nutzen für die Dinge, die während des Jahres viel zu kurz kommen.
Ein sinnvolles Urlaubsprogramm, auch für die die zu Hause bleiben, könnte so aussehen:
Zeit für mich- Zeit für andere- Zeit für Gott!
Zeit für mich!
Ein gutes Buch in die Hand nehmen, oder wandern in Gottes wunderbarer Natur, Musik hören oder andere uns wichtige Hobbys pflegen. Man muss sich Zeit nehmen auch für die sogenannten zweckfreien Tätigkeiten. Man kann nicht ständig nur irgendwelchen Verpflichtungen nachkommen und Termine wahrnehmen.
Zeit für andere!
Damit meine ich vor allem die Menschen, die uns nahestehen, die einen Anspruch darauf haben, dass wir uns Zeit nehmen für sie. Menschliche Kontakte pflegen, die in der Hektik des Alltags zu kurz kommen. Vergessen wir die alte Weisheit nicht: „Die Freude, die wir schenken, strahlt ins eigne Herz zurück!“
Zeit für Gott!
Für gläubige Menschen ist die Zeit, die uns zur Verfügung steht, ein Geschenk Gottes. Ferienzeit, Urlaubszeit, das bietet auch Gelegenheit, um sich diese Wahrheit bewusster zu machen, in dem man sich mehr Zeit als sonst nimmt für das persönliche Gebet, für die Bibellektüre, für den Gottesdienst!
Nach einem guten und erholsamen Urlaub gelingt es uns oft etliche Wochen entspannter und gelassener das Leben anzugehen. Wir werden die Erfahrung machen, dass das auch gelingen kann, wenn wir täglich uns eine Auszeit nehmen, um bei uns selbst und bei Gott zu sein.
Mit diesen Gedanken wünsche ich uns, dass die kommenden Wochen zu einer erholsamen und entspannten Zeit werden!
Karl Zirmer, Pfarrer, Pastoralraum AKK-Mainspitze
19. Juli 2023
Gott ist queer – ja selbstverständlich
Seit einem Monat schlägt eine Predigt hohe Wellen. Eine Predigt? Ja, Sie haben richtig gelesen: Es wird deutschlandweit über die Worte eines Pfarrers diskutiert. Das mutet anachronistisch an. Quinton Caesar sagte beim Abschlussgottesdienst des Evangelischen Kirchtages in Nürnberg den Satz: „Gott ist queer.“ Danach war die Aufregung groß.
Das finde ich eigentlich seltsam. In der Bibel steht schließlich, dass wir nach Gottes Ebenbild geschaffen wurden. Somit müsste das große, bunte Menschheitsbild uns auch Aufschlüsse darüber geben, wie wir Gott in Worte fassen können.
Aber wie reden wir eigentlich über Gott und was geschieht alles so im Namen Gottes?
Der §175 verbot in Deutschland offiziell über einhundert Jahre lang Homosexualität und legitimierte die Verfolgung von homosexuellen Menschen. Erst seit 1994 gab es eine strafrechtliche Sondervorschrift zur Homosexualität. Als Kirchen müssen wir dabei gar nicht mit dem Zeigefinder auf den Staat zeigen. Warum war es so lange gesellschaftlich tabuisiert, dass eine Frau auch eine Frau oder ein Mann einen Mann lieben kann und das ok ist?
Bis heute werde ich gefragt, ob ich gleichgeschlechtliche Paare trauen würde. Meine Antwort: Ja, natürlich. Aber so selbstverständlich ist das gar nicht. Es ist 20 Jahre her, dass bei uns – in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) – die Segnung eingetragener Lebenspartnerschaften im Gottesdienst ermöglicht wurde. Vor fünf Jahren wurde die bisherige gleichgeschlechtliche Segnung in Trauung umbenannt und damit werden diese Paare auch offiziell in die Kirchenbücher eingetragen.
Ende April hat unsere Landeskirche (EKHN) ihre Schuld gegenüber queeren Menschen bekannt. Im Text heißt es, dass Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle auch in Gemeinden und Einrichtungen der EKHN lange Zeit Diskriminierung erfahren haben.
Wir haben uns als Kirche nicht entgegen gestellt. Schlimmer noch: Wir haben die Würde von Gottes Geschöpfen in Erklärungen und Verlautbarungen verletzt, welche sich einseitig auf ein nur binäres, letztlich patriarchales Familienmodell bezogen haben.
Hilft dieses Schuldbekenntnis nun? Die Reaktionen auf die Nürnberger Predigt zeigen, dass es vielen Menschen noch immer wichtig ist, was in den Kirchen so gepredigt wird. Vielleicht auch gerade, weil viel falsch gemacht wurde.
Ich verstehe es als Auftrag, dass wir das Ebenbild Gottes sind. Als Menschen sind wir uns allen gegenseitig Hirten:innen. Deswegen denke ich, ist es an der Zeit zu sagen: Selbstverständlich ist Gott auch queer.
Pfarrer Marcus Bahnsen, Evangelische Kirchengemeinde Gustavsburg